München – kein Platz für Kunst!

München – kein Platz für Kunst!

Natürlich und unnatürlich ist München ein Platz für Kunst. Schließlich gibt es eine Oper, Staatstheater, staatliche Kunsttempel und sogar ein städtisches Kunstmuseum, dessen Leiter gerne im internationalen Reigen mittanzen möchte und deshalb prinzipiell die in München tätigen Künstler übersieht.

Kulturpolitik in dieser Stadt ist von dem Bestreben geprägt, mitspielen zu wollen und deshalb ein paar Leuchttürme zu finanzieren. Wie der FC Bayern kauft man sich deshalb ein paar internationale Sterne und setzt sie dann in solche Türmchen.

Ansonsten sind der Freizeitwert der umgebenden Landschaft, die Rüstungsindustrie, das Oktoberfest und die Allianzarena die Hauptattraktionen einer Provinzhauptstadt, in der die Immobilienspekulation solche wahnsinnigen Sumpfblüten treibt, dass sich immer mehr KünstlerInnen kaum mehr einen Arbeitsraum und die irren Lebenshaltungskosten leisten können.

Macht nix, sagen sich die Immobilienhaie und deren Politiker. Der „Verwertungsdruck“ ist halt so, sagte auch schon der BurgerKing, gell? Da kann man nichts machen. Wem es nicht passt, der soll halt nach Berlin gehen. Als „weicher Standortfaktor“ sind die oben genannten Attraktionen genug. Was brauchen wir experimentelle Musik, Literatur, bildende Kunst oder Theater?

Riesige Plakate kündigten kürzlich davon, dass die Münchner Immobilienwirtschaft gerne noch mehr profitiert hätte mit einer Olympiade. Und die achsokultursinnigen Stadträte und Kulturpolitiker hätten sich auch gefreut, dass ein großer Glanz auf sie fiele und ein olympischer Bauboom die Grundstückspreise und die Mieten hätte explodieren lassen. Leider wurde das aber glücklicherweise nur ein Schuss in den Ofen und ein Millionengrab.

Folgedessen stehen nun also eine ganze Reihe von Gebäuden und Grundstücken in öffentlichem Besitz ungenutzt und profitlos herum. Wie z.B. an der Dachauer Straße, an der Lachnerstraße, am Nymphenburger Schloss, an der Arnulfstraße …. Die wären durchaus geeignet für Musikgruppen, als Ateliers, Probenräume etc. Die Kulturpolitiker staatlicher und städtischer Provinz könnten da mal Platz machen für die Kunst. Aber denkste! Wie in den letzten Jahren werden solche Liegenschaften eher abgerissen, von Strom und Wasserleitungen befreit oder an Firmen vermietet, die dann profitabel Stockbetten für Leiharbeiter vermieten.

Neuerdings hat man in der Stadt und in der Profitwirtschaft und bei Roland Berger/Profitberatung erkannt, dass München verspießert und dass man eine Subkultur braucht als Attraktion und „weichen Standortfaktor“, damit die hohen Wohnungspreise zu halten sind. Also macht man sich Gedanken über ein Kulturgelände für die „Kreativwirtschaft“ – das sind zahlungsfähige Kulturmänätscher, SoftwareGrafiker, Werbe- und Mediendesigner und sowas. Vielleicht dürfen dann auch ein paar Künstler mit dabei sein, wenn sie sichs leisten können – mit einer guten Erbschaft im Hintergrund und guten Seilschaftsbeziehungen.

In nächster Zeit werden weitere Areale in der Stadt frei – wie z.B. das Gelände der Paulaner Brauerei. Da werden dann wegen des hohen Verwertungsdrucks Investoren und Bauträger wieder herbeigerufen, damit sie Luxuswohnungen zu Höchstpreisen bauen und verscherbeln können. Die Stadt könnte Auflagen bei den Baugenehmigungen machen, dass z.B. zumindest teilweise Arbeitsräume für KünstlerInnen mit Mieten von 2-3 € pro Quadratmeter oder mietfrei gebaut werden müssen. Sowas gab es mal vor hundert Jahren in Schwabing, als die Bauherren und ihre Politiker offenbar noch nicht ganz so gierig und gefällig waren wie heute.

Wenn ich mich nicht irre, sind die Politiker in einer Demokratie und also auch in diesem Land nichts anderes als unser bezahltes Dienstleistungspersonal, oder? Auch wenn sie das nicht gerne hören und sich ganz und gar nicht so verstehen.
Es liegt eigentlich an uns, dass wir ihnen das zu Gehör bringen und zu verstehen geben. Nötigenfalls auch mit etwas zivilem Ungehorsam! Besetzen wir doch mal solche Gebäude – mit Pauken und Trompeten, mit Poesie und Prosa, mit Farben und Staffelei, mit Computer und Kameras, mit Performance und Theater. Besuchen wir doch mal eine Stadtratssitzung und bringen den Volksvertretern und ihrem Stadtchef, der sich gerne über die Menschen dieser Stadt lustig macht, gut hörbare Flötentöne und Töne anderer Instrumente bei. Kulturpolitik wird ja nicht nur von den in den Parteien abgeschobenen und belächelten Kulturpolitikern gemacht, sondern in Planungs-, Kommunal-, Bau- und Finanzausschüssen. Die müssen wir mit einer Tanzperformance mal in Schwung bringen und Platz machen auf dem Parkett der politischen Entscheidungen.

Freilich, liebe Kolleginnen und Kollegen, da müssen wir unsere Gesäße selbst etwas anheben und nicht in bereitsitzende Hintern kriechen und untertänigst darauf hoffen, dass von der Herren und Damen Tische mal ein Brosamen für uns herabfällt. Unsere Berufsorganisationen müssen wir dazu auch etwas umkrempeln und in Fahrt bringen. Es ist ja nett, wenn dort auch ein paar Ausstellungen stattfinden können, aber sie haben eigentlich die Aufgabe und Möglichkeit, unsere Forderungen nach besseren Arbeits- und Lebensbedingungen zu artikulieren und Druck dafür zu schaffen. Von selbst geht da nix. Und das Hoffen auf Wunder und Entdeckungen ist so fruchtlos wie töricht.
Dies ist ein Aufruf zum Aufruhr! Ein Aufruf, den Zorn in Taten umzusetzen, Platz zu fordern und zu schaffen und zu besetzen. Lassen wir uns nicht weiterhin abspeisen und verarschen.

Die Ankäufe, Projektfinanzierungen, Jury-Besetzungen und Entscheidungen und Ausschreibungen dürfen nicht mehr länger als Hinterzimmer-, Geheim- und Seilschaftsveranstaltungen stattfinden. Demokratie entsteht nur durch Öffentlichkeit und Transparenz. Wir leben nicht mehr im Zeitalter der Medici oder anderer Diktaturen. So aber führen sie sich auf, die achsosachkundigen bezahlten Beamten, Politiker, Juroren und sonstigen Kulturschwätzer. Sie sind aber uns und der Öffentlichkeit Rechenschaft schuldig, ebenso wie Herr Wulff und andere selbstherrliche Geheimbündler.
Freiwillig tun sie es alle nicht – also müssen wir sie freundlich aber bestimmt dazu zwingen.
Fangen wir endlich an!

von E. Ungehalten