UNHEIMLICH bayerisch.
Das muss man gesehen haben, wie im neuen grauen „MIA SAMMA MIAU“-Museum zu Regensburg an der Donau die Geschichte staatsbayrisch auf CSU-Linie getrimmt wird. Regensburg ist eine Reise wert, ob das Museum den Wert erhöht, ist höchst zweifelhaft. Beachtlich ist jedenfalls, wie mit über 88 Millionen die Geschichte Bayerns höchstoffiziell und staatsgetragen abgehandelt wird.
Vielleicht sollte man die Besichtigung des Museums am Ende des Rundgangs beginnen und das hochfahrende rautierte Foyer mit dem geschlechtslosen Löwenbräulöwen rasch nach ganz oben verlassen. Da erwartet die Besucher dann sofort das erhellende riesige Logo der Staatspartei und der brüllende Atomkraftmeier Strauß, Franz Josef. Von da geht es dann zurück bis zu den Ölschinken der Ludwige, mit denen die Geschichte Bayerns rückwärtsgewandt kulminiert.
Der größte Raum des Museums ist natürlich dem Auto gewidmet. Wer hätte anderes erwartet? Schließlich ist das die höchste bayerische Kulturleistung und es gibt ja auch eine ganze Reihe bayerischer bescheuerter Autominister. Ein auf Hochglanz poliertes Geschwader von bayerischen Personenkraftwagen ohne jeden historischen braunen Rostfleck. Himmlisch, überirdisch, volksnah, rüstungs- rost- und problemfrei. Immerhin ist eine ganze Strecke den „Gast“arbeitern gewidmet, natürlich nicht den Zwangsarbeitern. Der Nazibunker unter dem Hauptbahnhof, kalt, feucht und fensterlos erscheint als Empfangshalle. Da wurden die „Makaronifresser“ eingebunkert bis zu ihrem Weitertransport nach Stuttgart zu Daimler, nach Wolfsburg zu VW, in den Ruhrpott und zu BMW und Siemens. Aber das ist eine andere Geschichte, die nicht museumstauglich erscheint.
Sehr schön ist die Sammlung ausgestopfter Tiere in einer südbayerischen Landschaft mit Gams und Auerhahn und dem idealen Lieblingstier bayerischer Staatshistoriker, dem Walpertinger. Die durch die bayerische Landwirtschaft dem Aussterben anheimgefallenen oder fallenden Viecher haben da zu wenig Platz. Probleme mit der glyphosierten Landwirtschaft gibt es bekanntermaßen in Bayern nicht und folglich auch nicht im Museum.
Klar ist selbstverständlich, dass „MIA SAN MIA“ in Verbindung mit dem einzigen bayerischen Fußballverein ein wahres Hochlicht des Museums werden musste. Mit Frank Ribery usw. aber ohne die Geschichte des jüdischen Präsidenten Landauer und ebenso selbstverständlich spielen in der bayerischen Sportgeschichte der FC Nürnberg, FC Augsburg oder Jahn Regensburg eine total zu vernachlässigende Rolle.
Fußball ist echte bayerische Volkskultur und ein reiner bayerischer Volkssport, was man von Literatur, Film und Bildender Kunst wirklich nicht sagen kann. Da sind die Einschaltquoten wesentlich niedriger, also gehören der Blaue Reiter, Kandinsky, Marc und Gabriele Münter nicht ins Geschichtsmuseum und seine 8 „Kulturkabinett“e, ebenso wenig wie Bertolt Brecht, Lion Feuchtwanger, Marie-Luise Fleißer, Mühsam, Koeppen, Erich Kästner oder gar so unbedeutende Filmemacher wie Fassbinder, Herbert Achternbusch, Herzog.
Das wäre ein anderes Bayern, als sich bayerische Ministerpräsidenten, Heimatminister und Staatsausstellungsdirigenten wie Herr Loibl das wünschen und vorstellen.
Denen entsprechend ganz besonders bayerisch gelungen und unglaublich humorvoll sind:
Kulturkabinett 4 „MIA SAN MIA“ für den FCBayern aus München
Kulturkabinett 5 „GRÜSS GOTT“ mit dem Heiligen Rock des Papstes Ratzinger aus Marktl Kulturkabinett 6 „KULTUR“ mit dem netten kleinen U-Bootmodell des Kriegsberichters Buchheim aus Pappe.
Museologisch hervorstechend gelungen ist das Arrangement von 20 Sammelbüchsen des NS-Winterhilfswerks, das hat optischen und informatorischen Tiefgang. Da muss der Widerstand gegen das Nazi-Verbrecherreich auf der Rückseite etwas kurz kommen und das letzte Flugblatt der Weißen Rose so weit hinter einer Glasscheibe liegen, dass man es nur mit einem Fernglas lesen könnte. Widerstand von Sozialdemokraten, Kommunisten, Gewerkschaftlern und anderen mutigen Menschen hat folglich gar keinen Platz. Hinter einer weiteren Glasscheibe ist eine Fotografie von Oskar Maria Graf in Lederhose links, seine Lederhose unten und Adolf Hitler in Lederhose rechts zu sehen, womit beide zumindest lederhosenmäßig einander nahegebracht werden.
Kurt Eisner wurde in einem Text erstmal als „Berliner Jude“ charakterisiert, was vielleicht nicht (oder doch?) der antisemitischen Hetze von Kardinal Faulhaber, dem Mörder Arco und anderen Demokratiefeinden gleichzusetzen ist. Neuerdings wurde das vom weisen Staatsmuseumsteam geändert: nun ist er ein „Berliner jüdischer Herkunft“ – also immer noch ein Landfremder. (Warum wird eigentlich Markus Söder nicht entsprechend als Nürnberg-Schweinauer evangelischer Herkunft und Erhard Auer als Dommelstadler katholischer Herkunft bezeichnet?) Man hätte ihn, der nie einer jüdischen Gemeinde angehörte, die bayerische Staatsangehörigkeit besaß und als Sozialist, Pazifist, Redakteur, Schriftsteller und Revolutionär wirkte, als solchen bezeichnen können, aber das entsprach sicher nicht dem ideologischen Museumskonzept. Stattdessen wird er in einer Bildsequenz zusammen mit seinem Gegner Auer und seinem Mörder Arco unter „Gesichter der Revolution“ eingereiht. Das ist nun wirklich eine herausragende Kontextualisierung! Da ist es völlig nebensächlich, dass man ihn zunächst schon 1918 ermorden ließ statt 1919. Das hochkarätige StaatsLoiblteam hat das nach wenigen Monaten schon korrigiert. Respekt!
Wichtig ist die Bemerkung, dass Eisner nichts von den marktorientierten oder heutigen inhaltsreichen Wahlwerbekampagnen verstand und gegen die Hetze von konservativer, bis reaktionärer und kirchlicher Seite machtlos war (was aber besser nicht erwähnt wird).
Schade, dass die Pistole, mit der Eisner ermordet und die kürzlich anonym aus bayerischen Adelskreisen angeboten wurde, noch nicht im Museum bewundert werden kann.
Sogar Ernst Toller wird im Gegensatz zu Erich Mühsam erwähnt, zwar nicht als der bedeutendste deutsche Theaterschriftsteller der 20er und 30 Jahre – aber immerhin.
Ein wunderbarer Ersatz für die bayerische Kabarett-Szene (wie z.B. das Scharfrichterhaus in Passau, Sigi Zimmerschied, Polt u.a.) ist ein Arrangement hinter einer weiteren Glasscheibe mit dem zentral präsentierten Faschingskostüm des amtierenden bayerischen Ministerpräsidenten, flankiert von Figuren der Augsburger Puppenkiste und dem bavarischen Kostüm der Luise Kinseher, das sie bei ihrer epochalen Nockherberg-Rede trug. Damit ist der Humor in Bayern wahrlich symptomatisch und umfassend abgedeckt.
Sehr ästhetisch und wirklich gelungen sind die weißen Modelle des Eingangstors zum KZ Dachau, des Schlosses Neuschwanstein, der Nürnberger Kaiserburg u.a. repräsentativer Gebäude auf einer Ebene in einer eindrucksvollen musealen Komposition im „Kulturkabinett No3: MEHR ALS ZWIEBELTÜRME“.
Auch die „Lage der arbeitenden Klassen in Bayern“ wird in einem kleinen Foto berücksichtigt. Es hätte die Ausstellungsmacher totalbayerisch überfordert, mehr nachvollziehbar zu machen von dem, was Bruno Schoenlank 1886 in seinem gleichnamigen Buch aus den Berichten der bayerischen Fabriksinspektoren zusammenfasste. Wer erfährt schon gerne etwas von Kinderarbeit, den elenden Erdhütten der Arbeiterfamilien im Graßlfinger Moos, von den tödlichen Arbeitsbedingungen der Mädchen in den bayerischen Zündholzfabriken? Das muss man doch grundsätzlich verschweigen dürfen, gell?
Wenn man also rückwärtsgewandt durch die Ausstellung wandert, landet man schließlich bei den erhabenen öligen Porträts unserer vielgeliebten monarchischen Häupter, zu denen der Markus S. so gerne gehören täte. Und in einem ganz besonders publikumswirksamen Raum, in dem schriftdeutsche Begriffe und Redewendungen in unsere allseits geliebten bayerischen Regionalsprachen transponiert werden, wie beispielsweise „Käse“, der dann im Museumsbayerischen kurz und bündig „Kas“ lautet. Das ist ein ebenso bedeutungsvoller wie raumgreifender Höhepunkt des Museums – ziemlich schwarz und etwas unheimlich.
Uns ist kein Klischee aufgefallen, das in diesem Museum nicht bedient würde.
Da freut sich das bayerische und internationale Publikum, lacht bajuwarisiert und bayert gerne ein bisschen mit. Man wird nicht umhin können, diesem großartig volkstümlichen Musäum den Museumspreis des Europarates zu verleihen und den fanatischen Bayernliebhaber Hans Kratzer zu dessen Haus- und Hofkanzleischreiber zu ernennen.
Carl Blauhorn