Brauner Hirntumor?
Nazi-Strukturen in Staatsanwaltschaften und Gerichten
Ist es wirklich nur eine SehStörung auf dem rechten Auge? Oder ist es ein braunes Geschwür in der rechten Gehirnhälfte, das Staatsanwälte und Richter daran hindert, rechtsextremistische Straftaten so zu verfolgen, wie es notwendig ist nach den Lehren, die aus der deutschen Geschichte zu ziehen sind?
Was treibt einen deutschen Staatsanwalt, ein „besonderes Strafverfolgungsinteresse“ zu erfinden, wenn ein Künstler aus D. in Österreich (das seit 1945nicht mehr zum deutschen Reich gehört) in Salzburg auf dem Kommunalfriedhof an Allerheiligen die Kranzschleife am Ehrenkranz der Waffen-SS mit einem Scherenschnitt zu versehen und dem dortigen Bundespräsidenten zu schicken, mit der Bitte, dem braunen Spuk schnellstens ein Ende zu setzen? Was treibt deutsche Richter, dieses „besondere Strafverfolgungsinteresse“ zu bekräftigen und den Künstler durch alle Instanzen wegen „Sachbeschädigung“ zu verurteilen – ohne die „Sache“ SS-Kranzschleife in den Urteilen überhaupt nur zu erwähnen?
Was geht im Kopf eines deutschen Staatsanwalts vor, wenn er eine Anzeige wegen SS-Runen auf zwei Totengedenktafeln auf dem Friedhof in Pähl/Oberbayern einstellt, weil „ein Täter nicht ausfindig gemacht werden konnte“? Erst als ihm der Anzeigende nahelegte, die Gemeinde, die Friedhofsverwaltung und den örtlichen Kameradschaftsverein zu befragen, und anbot, nötigenfalls auch die Presse um Unterstützung zu bitten, wurde das Ermittlungsverfahren wieder aufgenommen. Was geht im Kopf dieses Staatsanwalts vor, wenn er nach weiteren 6 Wochen mitteilt, der Täter sei gefunden, aber er sei schon alt und habe „kein Unrechtsbewusstsein“, so dass er von einem Strafverfahren absehe? Würde er auch jemand verschonen, der ein Päckchen Papiertaschentücher im Drogeriemarkt ohne Bezahlung mitnimmt und „kein Unrechtsbewusstsein“ hat?
Welche Motive hat ein Staatsanwalt, der eine Morddrohung „Für euch liegen noch vier Kugeln aus dem letzten Krieg bereit.“ gegen vier Friedensfreunde verharmlost und ein Ermittlungsverfahren einstellt? Die vier hatten im Durchgang zum Münchner Rathaus an einem Stein zur ehrenden Erinnerung an den Reichskriegertag 1929 und den Kyffhäuserbund Aufkleber angebracht mit der Aufschrift „Kein Platz für Militaristen“. Der Herr Staatsanwalt befand, das könne man zwar als eine Morddrohung verstehen, aber auch als eine überspitzte humorvolle Kritik an der Aktion und deshalb erkenne er keine Straftat. Stellen Sie sich vor: Sie begehen einen Diebstahl im Supermarkt. Dann nützt Ihnen ein fehlendes Unrechtsbewusstsein gar nichts. Aber wenn einer SS-Runen anbringt, dann ist ein nicht vorhandenes ‚Unrechtsbewusstsein‘ in Bayern offenbar ein Grund, das nicht zu verfolgen.
Was mag sich in der rechten Gehirnhälfte eines Staatsanwalts vorgehen, wenn drei Künstler, die einen übergroßen Hindenburg-Bronzeschädel des „gottbegnadeten“ Nazi-Künstlers Thorak in Dietramszell vom Sockel an der Klosterwand herunterholen und dafür bei der öffentlichen Faschingsveranstaltung symbolisch am Galgen erhängt und gewarnt werden:
„Aktionskünstler Obacht gem“? Teilt er den mörderisch lustigen Galgenhumor der bornierten Provinzler, die an der Ehrenbürgerschaft Hitlers und seines Steigbügelhalters Hindenburg festhalten wollten und die Nazi-Bronze auf tausend Jahre wieder anbringen wollten, aber nicht konnten, weil sie den Klosterfrauen gehört und die von ihren geistlichen Herren keinen Segen dazu erhielten? Sympathisiert er evtl. gar mit solchem Terror, der fatal an Galgen und Strangulierte auf Karnevalswagen aus der Nazis-Zeit erinnern? Jedenfalls stellte er das Verfahren ein, weil kein Täter ausfindig zu machen sei. Obwohl alle Dietramszeller wussten, woher der Galgen kam.
In Mittenwald stellten sich zwei Künstler in Kampfanzügen und totenbleich geschminkt vor eine Kapelle, in der für Massaker an Zivilisten verantwortliche Wehrmachtssoldaten mit hakenkreuzigen Bildchen geehrt werden, und hielten ein schwarzes Tuch mit der Aufschrift:
„Soldaten sind Mörder – keine Helden“. Es sollte nur ein Foto gemacht werden. Der Staatsschutz und ein Staatsanwalt ordneten die Verhaftung der beiden und des Fotografen an. Sie wurden in verdreckte fensterlose eiskalte Einzelzellen gesperrt (zwei mussten sich nackt ausziehen) und kamen erst nach drei Stunden durch die Intervention eines Rechtsanwalts frei. Immerhin wurde die Polizeiaktion von einem Gericht als „offenkundig rechtswidrig“ verurteilt und den drei Betroffenen Schadensersatz zugesprochen. Gut, aber der Oberstaatsanwalt widersprach den Schadensersatzanspruch, und die drei hätten dagegen klagen müssen und waren zu genervt dafür.
Gegen das Ehrenmal für den Nazi-General Alfred Jodl auf der Fraueninsel im Chiemsee, wird seit Jahren erfolglos protestiert. Ein Künstler, der mehrfach Aktionen dagegen unternahm, wurde von deutschen Richtern, die nicht unterscheiden wollen zwischen einem privaten Auto und einem Ehrenkreuz für einen verurteilten Massenmörder, wegen „Sachbeschädigung“ belangt. Erst kürzlich entschied ein Münchner Verwaltungsgericht, dass das Ehrenkreuz weitere 20 Jahre dort auf der Insel stehenbleiben dürfe. Wenn eine Staatsanwältin und eine Richterin in Traunstein ein offenkundig illegales Ehrenkreuz für einen Hauptkriegsverbrecher permanent als ein Grabmal bezeichnen, dann gibt es dort vermutlich ein fatales Rechtsdenken. Ein Rechtsverständnis, das so rechts ist, dass man solche Dinge bestehen lässt und die Rechtswidrigkeit nach Grundgesetz einfach ignoriert.
Sicherlich sind nicht alle Staatsanwälte und Richter in Bayern so. Ein positives Beispiel soll dafür stehen: in Landsberg, dieser hübschen Stadt, in der Hitlers „Mein Kampf“ im Gefängnis entstand gab es seit 1923 einen Schlageter-Stein. Das war ein beharrlicher Militarist, ein früher Nazi und ein Bombenterrorist, der von den französischen Besatzern des Rheinlands standrechtlich erschossen und so zum nationalen Heroen der Nazis bis heute wurde. Nach vielen erfolglosen Anregungen und Änderungsvorschlägen kippten ein Künstler und ein engagierter Autor den Stein um und legten eine Texttafel dazu. Das brachte ihnen Anzeigen von drei bundesweit bekannten vorbestraften Nazis und dem SPD-Oberbürgermeister Lehmann ein.
Eine Richterin sah zwar eine Sachbeschädigung, stellte aber das Verfahren wegen eines nachvollziehbaren Anliegens und geringer Schuld.
Häuser, in denen die beiden Freigesprochen wohnten, wurden beschmiert mit der Nazi-Parole „Schlageter lebt“ und Reifen wurden zerstochen. Die Polizei war routinemäßig nicht in der Lage, Täter ausfindig zu machen. Als wir dem Staatsanwalt als mögliche Täter die drei Nazis nannten, die uns angezeigt hatten, gab er es uns schriftlich: „Es besteht kein Anfangsverdacht.“ Na bitte!
Hat sich ein brauner Sumpf ausgebreitet? Oder ein brauner übertragbarer Tumor? Als Überträger und Erreger kommen rechte Burschenschaften und ihre alten braunen Herren in Betracht. Und Richter und Juristen, die nach 1945 nie belangt wurden und an den Hochschulen und Gerichten weiterhin ausbildeten. Wie Theodor Maunz zum Beispiel. Der biederte sich dem NS-Regime ab 1933 an. Nach Kriegsende begründete der Staatsrechtler, Hochschullehrer und CSU-Politiker mit den „Maunz/Dürig“-Kommentaren ein Standardwerk der Gesetzeskommentare zum Grundgesetz. Als seine NS-Vergangenheit 1964 ans Tageslicht kam, trat Maunz als bayerischer Kultusminister zurück, schrieb aber weiter unter einem Pseudonym Texte für rechte Verlage und Publikationen.
Selbst heute noch nutzen Juristen Kommentare zum Bürgerlichen Gesetzbuch BGB, die dem Geist eines Alt-Nazis entstammen: Otto Palandt. Dieser trat bereits im Mai 1933 der NSDAP bei und wurde später unter anderem zum Präsidenten des Reichsjustizprüfungsamtes ernannt. Damit war er laut Historikern einer der „einflussreichsten Juristen des Dritten Reichs“. Die Palandt-Kommentare zum BGB haben bis heute Gültigkeit. „Der ‚Palandt‘ ist die Bibel im Zivilrecht“, schrieb der Berliner „Tagesspiegel“ im September 2017.
Es wird höchste Zeit, dass Mittel angewandt werden, um dieses braune Geschwür angemessen zu behandeln und die Befallenen zu heilen.
von Verena Lex