Rechts(ver)sprecher

Rechts(ver)sprecher

Sie sprechen recht im „Namen des Volkes“. Nicht im Namen Gottes oder eines Fürsten. Bezahlt werden sie von eben diesem Volk, in dessen Namen sie eigentlich handeln, verhandeln und Recht finden sollten. Die Verhandlungen, die sie führen, sollen öffentlich sein, damit das „Volk“, in dessen Namen sie sprechen, zuhören und zusehen kann, wie und was da gesprochen wird. Öffentlichkeit ist ein demokratisches Grundprinzip, das gewährleisten soll, dass eine gewisse Kontrolle stattfinden kann über das, was im Namen des Volkes ausgemacht wird.

Das ist nicht einfach, denn die Juristen haben ihren Fachjargon und sind gar nicht gnädig, wenn daran nicht alle Gefallen finden und sich gar unterstehen, nachzufragen wenn sie einen besonders gut gedrechselten Begriff gar nicht verstehen. Es wimmelt nur so „Anzeigenerstattungsverständigung“, „Augenscheinseinnahme“ und „Rechtsabsichtserklärung“.

Vielleicht legen die Robenträger auch gar nicht sehr viel Wert auf „Öffentlichkeit“ oder „Volk“, in dessen Namen sie viel lieber sprechen, wenn es sich nicht gerade im Gerichtssaal befindet.

Da knurrt dann schon mal ein Richter den wegen eines politischen Deliktes Angeklagten an „Sie haben sich ja Ihre Öffentlichkeit gleich selber mitgebracht“. Es ging um die Ergänzung eines schwarzen Steins, der dem Widerstand gegen die Nazis gewidmet war, mit dem Namen des Attentäters Georg Elser – vor einer schwarzen Staatskanzlei.

Ungnädig werden aber kann ein Richter, wenn das mitgebrachte oder selbstgekommene „Volk“ sich räuspert oder hustet oder vor Erstaunen oder aus Unverständnis leicht hörbar stöhnt. Da bekommt ein Richter leicht mal einen sehr scharfen Ton und herrscht das „Volk“ an wie ungezogene Schulbuben, dass er den Saal beim nächsten Mal räumen lässt. Wobei „Saal“ leicht übertrieben ist, wenn da gerade mal 20 Sitze sind. Wenn zu viel „Volk“ kommt und vielleicht sogar nach einem größeren Saal fragt, dann sagt der Richter, dass keiner frei sei und man jetzt nicht umziehen könne. Einmal habe ich es schon erlebt, dass ein Anwalt nicht locker ließ und dem Richter sogar sagen konnte, welche größeren Säle gerade frei seien, und sich der Herr Richter – zwar genervt und widerwillig – doch herbeiließ zu einem Ortwechsel.

Das muss man verstehen, weil die Justiz ist unabhängig, und jeder Richter erst recht -außer auf der Karriereleiter. Deswegen muss man es auch verstehen, dass die Bayerischen Oberlandesrichter keine Türken im Gerichtssaal haben wollten, wenn es um die Morde der Nazis an Türken und Griechen geht, die von Verfassungsschutz, Staatsanwälten, Politikern und Richtern schon aus einer gewissen Tradition heraus verharmlost werden mussten. Was verstehen denn die Türken von der teutschen Jurisprudenz? Ob die sich da so verhalten, wie sich das Volk eben zu verhalten hat? So ein türkischer Journalist würde vielleicht ganz verständnislos reagieren und schreiben, wenn es sich nicht mehr vermeiden lässt, über Verbindungen von Polizei und Staatsanwalt und Geheimdienst und Nazisumpf zu sprechen und über das systematische „Versagen“.

Wenn dann gar noch Presse und Öffentlichkeit diesen Ausschluss kritisieren, dann werden solche Richter aber erst richtig unabhängig und bockig. Übertragung in einen Nebenraum? Nein, wir wollen nicht und wir wollen nicht zu viel „Volk“ und keinen Schauprozess und überhaupt eigentlich auch keine Türken, oder?

Als vor einiger Zeit die Presseleute bei einem Prozess gegen Rechtsextremisten von eben solchen angegriffen wurden, da überlegte ein Richter öffentlich, ob man in Zukunft halt die Presse ausschließen müsste. Was für eine Öffentlichkeit wünschen sich solche Herren der Paragrafen? Manchmal kann es einem so vorkommen, dass man nicht das unruhige Volk, sondern vielleicht eher den einen oder anderen Richter aus dem Gerichtssaal entfernen und für einen Volkshochschulkurs über die Grundprinzipien einer demokratischen Gesellschaft freistellen sollte.

Richter, Staatsanwälte und die meisten anderen Juristen stehen ein für Recht und Ordnung und denken in Paragrafen, verstehen die Welt und das Leben nach Paragrafen und sie sprechen wie Paragrafen. Sie stehen absolut für Recht und nicht selten rechts oder auch ganz rechts. Da gibt es dann allzu oft „keinen Anfangsverdacht“ gegen Nazis, aber ein strafvereitelnd fehlendes Unrechtsbewusstsein bei einem SS-Runen-Schnitzer eines öffentlichen Friedhofs, …. und das alles hat durchaus eine Tradition!


von Franz Graf