Pressezorn

Pressezorn

Was ist das Gegenteil von Freiheit: Presse.

Das kommt einem in den Sinn, wenn man sich die Münchner Presselandschaft genauer anschaut. München ist mit fünf großen Tageszeitungen mehr als jede andere Stadt im täglichen Informationsrausch vertreten. Wobei drei Zeitungen übelste Umweltzerstörer (Bild, Merkur, TZ) und die beiden anderen Blätter (Süddeutsche und Abendzeitung) auch nicht mehr weit davon entfernt sind. Hier werden aber nur Abendzeitung und Süddeutsche vom Zornesblitz gestreift. Wenn man den Fisch in die anderen 3 Zeitungen einwickelt, wird ihm sofort schlecht.

Der immer mäßigere Verkaufserfolg der Süddeutschen beruht zum Teil auch auf der am Leser vorbeigehenden Feuilleton-Politik. Zwar ist der globale Feuilletonteil sehr umfangreich, aber von einer Langweilerintellektualität, dass man sich mühsam durch die Artikel durchbeißen muss. Auch die bourgeoise Main-Stream-Kultur wird zelebriert, als wenn dies für Kritik oder Besprechung Bedeutung hat. Der Münchner Kulturteil verweigert sich subkultureller oder experimenteller Kultur fast völlig. Schnarchnasen wie Herr Wiedemann stolzieren durch Münchner Galerien wie auf einem Ferienbummel und berichten nach persönlicher Willkür hin und wieder von Ausstellungen. Dass es in München durchaus eine lebendige, junge, politische subkulturelle Kulturszene gibt, ist ihm offensichtlich fremd und wird es ihm immer bleiben. Der Satz:“Ohne Subkultur keine Kultur“ hat sein Kunst-Bürger-Ohr nie erreicht. Das ist Freiheitsberaubung durch die Presse.

Dafür hat Die Süddeutsche jetzt auch eine Extraseite mit dem Titel „Leute“, wo die Münchner Depperlgesellschaft eingehend gefeiert wird und ihre debilen Veranstaltungen eingehend gewürdigt werden. Gott sei Dank gibt es dafür Pressefreiheit.

Die Abendzeitung, ein Boulevardblatt (wobei so eine Zeitung ja sehr amüsant sein kann) hat sich aber der schleichenden Verblödung hingegeben. Im Feuilleton ist von junger Münchner Kultur überhaupt nichts mehr zu sehen und zu lesen. Kulturhinweise scheint es nur noch für Institutionen zu geben, deren Manager die Schreiberlinge einladen, in ihrem Kaffeehaus Redaktionsveranstaltungen abzuhalten. Redakteure verirren sich äußerst selten zu kulturellen, politischen, avantgardistischen, subkulturellen Veranstaltungen. Zum Beispiel erfasst einen Zorn, wenn die Verleihung des Kurt-Eisner-Preises (immerhin mit 10.000 € dotiert) weder einen Hinweis noch einer Besprechung wert ist. Und wenn dieses Blatt am 24.11.2013 bei einem Hinweis auf eine Ausstellung schreibt: „Nicht schon wieder Holocaust!?“, dann sagt das Alles über die Einstellung zur Kunst, zur politischen Kunst und überhaupt aus. Da nützt der ganze Libertinage-Anstrich nichts, wenn darunter so eine reaktionäre Gesinnung sitzt.

Nebenbei hat die Abendzeitung natürlich auch eine Gesellschafts-Depperl-Seite. Da kann man dann sogar wichtige Kunstnachrichten lesen. z.B. was Flatz gegessen hat und wo sich der ein oder andere Akademieprofessor zum Depperl-Talk einladen lässt.

Und warum sind beide Zeitungen in München so beliebt? Weil sie die Pressefreiheit garantieren, s.o.

von Michael Engel