Belämmertes Schweigen hilft nichts
Eine Autorin schrieb in einem Buch über Schafe: in einem Buch das dafür gemacht war, Sieben- bis Neunjährigen Tiere nahezubringen, Folgendes:
„Schafe haben vielleicht den Ruf, nicht gerade schlau zu sein. Aber sie können sehr viel mehr als wir ihnen zutrauen. Für uns sieht ein Schaf aus wie das andere. Aber Schafe können sich die Gesichter von bis zu 50 anderen Schafen genau merken und beachten dabei kleinste Unterschiede. Und das Tolle ist: Sie haben diese Gesichter auch nach zwei Jahren noch genau im Kopf. Selbst Menschengesichter können sie sich bestens einprägen.“
Wenig später erschien unter einem Namen, den die Autorin im Verlag ihres Schaf-Buches verorten konnte, ein neuer Text über Schafe, in dem es heißt:
„Schafe haben den Ruf, dass sie nicht besonders klug sind. Das ist aber falsch! Wenn wir eine Herde beobachten, sehen die meisten Tiere für uns gleich aus. Die Schafe selbst dagegen können bis zu fünfzig Gesichter ihre Artgenossen unterscheiden und erkennen sie sogar nach zwei Jahren wieder. Und nicht nur das. Auch Gesichter von Menschen merken sie sich.“
Man vergleiche bitte Satz für Satz! Führt man den Vergleich fort, so findet man in der neueren Textsammlung kaum eine Passage, die nicht in ähnlich umhäkelter Weise geklaut ist. Das gleiche gilt für elf weitere Bücher der Autorin, die Seite für Seite in gleicher Weise neu versprachlicht wurden.
Plagiat … oder? Die Autorin geht leer aus und muss – was sie noch zorniger macht als die finanzielle Nullnummer! – es erleben, dass ihr Werk unter fremden Namen im gleichen Verlag wieder veröffentlicht wird.
Das ist … nein, kein Plagiat! Der Tatbestand des Plagiierens ist erst erfüllt, wenn quasi bis auf Punkt und Komma exakt abgeschrieben wird.
Im Internet finden sich sogar etliche Anleitungen zum Plagiieren, wohl gemerkt zum Plagiieren, die den Plagiator auf die strafrechtlich sichere Seite der Grauzone geleiten.
Schreibende Kollegen, die bis hierher gelesen haben, werden müde abwinken. Passiert überall, passiert jedem! Seit die paste- und copy-Mentalität aus dem Internet raumgreifend um sich fasst, wird geklaut, dass sich die Balken biegen. Plagiierte haben es auch schon erlebt, dass sie vom Plagiator als Plagiator verklagt wurden. Geistiges Eigentum ist keinen mouse click mehr von „Vergiss es!“ entfernt. Und im Schlagschatten einer Freiheit, die den Dieb freistellt, bleiben Autoren derzeit nur Wut und Zorn. Das ist so. Das darf so nicht bleiben.
Ich rege an, dass ein Forum geschaffen wird (eine Internet-Plattform), auf der Plagiierte ihre Fälle dokumentieren können. Ohne Anklage. Einfach so: „In meinem Buch (Titel), erschienen (Datum), steht auf Seite 27 die folgende Text-Passage (längeres Zitat). Im Buch von Peter Mustermann (Titel), erschienen (Datum), steht unter seinem Namen auf Seite 69 (längere korrespondierende Textpassage).“
Das würde wenig helfen. Aber es schützt vielleicht davor, dass Ohnmachts-Wut die eigenen Magenwände anfrisst.
von Claus-Peter Lieckfeld